Arbeitsrecht-Oranienburg

Der Verfall und die Verjährung von Urlaub und Urlaubsabgeltungsansprüchen

Wann verfällt Ihr Urlaub ?

Nach dem Bundesurlaubsgesetz muss der Jahresurlaub grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr bis zum 31. Dezember (in natura) genommen werden, da er ansonsten verfällt. Eine Übertragung ins Folgejahr ist nur ausnahmsweise möglich, wenn dringende betriebliche Gründe (zum Beispiel großes Arbeitsaufkommen, hoher Krankenstand im Unternehmen) oder gar persönliche Gründe (zum Beispiel die Erkrankung des Arbeitnehmers, nicht Inanspruchnahme wegen Mutterschutz oder zum Beispiel Elternzeit) dies rechtfertigen, wobei in diesem Falle der Urlaub spätestens bis zum 31. März des Folgejahres genommen werden muss.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Verfall von Urlaub (BAG, Urteil vom 19.02.2019, Akz.: 541/19) unter Berücksichtigung von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs EuGH (Urteile vom 06.11.2018, Akz.: C-684/16 sowie C-619/16) verfällt der Urlaub jedoch nur dann, wenn

  • der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im laufenden Urlaubsjahr auf den noch bestehenden Resturlaub hingewiesen hat,
  • er den Arbeitnehmer (zuvor) konkret aufgefordert hat, den noch bestehenden Urlaub im laufenden Urlaubsjahr zu nehmen und
  • der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ausdrücklich und eindeutig darauf hingewiesen hat, dass, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub nicht nimmt, dieser verfällt.

Im Ergebnis dessen kann demnach gesagt werden, dass das Initiativrecht für die Frage, ob der Urlaub verfällt, unter den vorgenannten Voraussetzungen beim Arbeitgeber liegt.

Verjährung von Urlaubsansprüchen

Zu beachten ist insoweit jedoch, dass Urlaubsansprüche auch der (Regel-) Verjährung unterliegen, welche jedoch nicht greifen soll, wenn der Arbeitgeber den oben genannten Aufklärungs- und Hinweispflichten nicht nachgekommen ist (BAG, Urteil vom 20.12.2023, Akz.: 9 AZR 266/20 unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, Urteil vom 22.09.2022, Akz.: C-120/21).

Eine von den gesetzlichen Regelungen abweichende vertragliche Vereinbarung ist im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder gar einer Betriebsvereinbarung möglich, jedoch nur unter Berücksichtigung der Regelungen in § 13 BUrlG (Bundesurlaubsgesetz), wonach bezüglich der Mindestdauer des Urlaubs und der Lohnfortzahlung während des Urlaubs keine abweichende Regelung zulasten des Arbeitnehmers getroffen werden kann, was im Streitfall durch einen Rechtsanwalt überprüft werden sollte.

Verjährung von Urlaubsabgeltungsansprüchen

Anders als die Verjährung von Urlaubsansprüchen verjähren die Urlaubsabgeltungsansprüche, also der Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs in Geld (§ 7 Abs.4 BUrlG), in 3 Jahren nach dem Schluss des Kalenderjahres, in dem das Arbeitsverhältnis endet, auch wenn der Arbeitgeber seinen oben genannten (Hinweis-) Pflichten nicht nachgekommen ist (Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts, Urteil vom 31. Januar 2023, Akz.: 9 AZR 456/20).

Verfall von Urlaub bei Krankheit

Soweit aufgrund der Krankheit des Arbeitnehmers der Urlaub im laufenden Kalenderjahr nicht genommen werden kann, ist dieser bis zum 31. März des Folgejahres zu nehmen, wobei bei Langzeiterkrankungen der Resturlaub bis zum 31. März des übernächsten Jahres zu nehmen ist, da dieser anderenfalls verfällt (BAG, Urteil vom 7.8.2012, Akz.: 9 AZR 353/10). Zu beachten ist insoweit, dass sich diese Rechtsprechung auf den gesetzlichen Mindesturlaub bezieht und daher ein vertraglich vereinbarter Zusatzurlaub verfallen kann, soweit hierzu eine konkrete Regelung im Arbeitsvertrag getroffen wurde.

 

Die Rechtsanwaltskanzlei Reichwald in Oranienburg berät Sie zu Ihrem Anspruch auf Urlaub, Urlaubsentgelt, Urlaubsgeld sowie zu der Frage, ob Ihr Urlaub verfallen oder gar verjährt ist.

Die Kündigungsschutzklage im Arbeitsrecht

Mit der Kündigungsschutzklage begehrt der klagende Arbeitnehmer die Feststellung durch das Gericht, dass eine konkrete Kündigung unwirksam ist und durch die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst wurde oder wird. Sollte das Gericht dem Klageantrag entsprechen, besteht das Arbeitsverhältnis fort, sodass der Arbeitgeber auch weiterhin den Arbeitnehmer Arbeit geben und den Lohn zahlen muss, was im Streitfall jedoch gesondert eingeklagt werden muss und was, wenn es sich um laufenden Lohn während des Kündigungsschutzstreites handelt, im selben Verfahren vor Gericht mit geltend gemacht werden kann und auch sollte.

Mit der Kündigungsschutzklage kann der Arbeitnehmer alle Kündigungen, sei es z.B. die ordentliche fristgerechte Kündigung, die fristlose Kündigung, die verhaltensbedingte Kündigung oder gar betriebsbedingte Kündigung zum Gegenstand der Klage vor Gericht machen. Wenn der Arbeitgeber die Kündigung zurücknimmt, wird hierdurch die Kündigungsschutzklage nicht hinfällig, da die bereits zugegangene Kündigung nicht mehr zurückgenommen werden kann, wobei das mit der Rücknahme rechtlich auszulegende erfolgte Angebot des Arbeitgebers zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer angenommen werden kann, was jedoch zur Klarstellung und als Beweis zur Vermeidung etwaiger Streitigkeiten schriftlich zwischen dem Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbart werden sollte.

Sollte der Arbeitnehmer bereits länger als 6 Monate beschäftigt sein und der Arbeitgeber mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigen (§§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG), genießt der Arbeitnehmer zudem besonderen Kündigungsschutz im Falle der ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber, da in diesem Fall neben den Vorliegen der allgemeinen Voraussetzung für die Kündigung, diese nur wirksam ist, wenn sie (auch) sozial gerechtfertigt ist.

Die Kündigungsschutzklage muss innerhalb von 3 Wochen nach Erhalt der Kündigung bei Gericht eingereicht werden, da anderenfalls die Kündigung wirksam wird (§ 7 KSchG).

Auch wenn vor dem Arbeitsgericht kein Anwaltszwang besteht, sollten Sie im Falle des Erhalts einer Kündigung einen Anwalt im Arbeitsrecht in Anspruch nehmen, um Ihre Ansprüche fachkundig und zielgerichtet durchsetzen zu können. Als Rechtsanwalt in Oranienburg vertrete ich Sie im Arbeitsrecht außergerichtlich, aber auch vor Gericht, wobei aufgrund der kurzen oben genannten Klagefrist zeitnah eine Beratung zur Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung in Anspruch genommen werden sollte.

Die verhaltensbedingte Kündigung im Arbeitsrecht

Bei der verhaltensbedingten Kündigung geht es darum, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wegen einer Verletzung der Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis, welche steuerbar gewesen und ihm vorzuwerfen sind, kündigt. Nach der Rechtsprechung müssen für eine verhaltensbedingte Kündigung die nachfolgenden Voraussetzungen gegeben sein:

 1. Erheblicher Pflichtenverstoß des Arbeitnehmers

Der Arbeitnehmer muss seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag oder arbeitsvertragliche Nebenpflichten erheblich verletzt haben. Insoweit kommen viele Möglichkeiten von Pflichtenverstößen in Betracht, sei's z.B. die Arbeitsverweigerung, fehlerhafte Arbeit, Arbeitsbummelei oder gar Missachtung von konkreten Weisungen.

 2. Rechtswidrigkeit und Schuldhaftigkeit des Pflichtenverstoßes

Der Arbeitnehmer darf für den vorgeworfenen Pflichtenverstoß keinen Rechtfertigungsgrund haben und dieser muss schuldhaft, was auch (nur) fahrlässig sein kann, erfolgt sein. Nicht jeder Pflichtenverstoß ist für eine Kündigung relevant, da manchmal ein Rechtfertigungsgrund vorliegt oder dieser nicht schuldhaft erfolgt ist. Ein Beispiel hierfür wäre der verspätete Dienstantritt des Arbeitnehmers, welcher auf dem Weg zur Arbeit einen Verkehrsunfall erlitten hat oder als Unfallbeteiligter Hilfe vor Ort leistet. Rechtswidrig und schuldhaft ist zum Beispiel aber dieser Pflichtenverstoß, wenn der Arbeitnehmer, welcher verspätet zur Arbeit ankommt, nunmehr im Arbeitszeitnachweis angibt, dass er rechtzeitig am Arbeitsplatz gewesen sei, was ein Arbeitszeitbetrug darstellt.

 3. Kein milderes Mittel als die Kündigung

Bei der Kündigung handelt es sich um die stärkste Reaktion des Arbeitgebers auf einen Pflichtenverstoß. Je nachdem in welcher Art und Weise der Pflichtenverstoß vorliegt, ist jedoch die Kündigung als Reaktion hierauf nicht immer geeignet, da sie unverhältnismäßig sein kann. Die Kündigung selbst muss das letzte Mittel sein, um die Störung des Arbeitsverhältnisses zu beseitigen. Als milderes Mittel bei einem Pflichtenverstoß steht dem Arbeitnehmer z.B. die Abmahnung der Pflichtverletzung zur Verfügung, um auf das Verhalten des Arbeitnehmers für die Zukunft einzuwirken. Erst wenn auch dies nicht fruchtet oder der Arbeitnehmer unzweideutig zu erkennen gibt, dass er sein arbeitsrechtswidriges Verhalten in der Zukunft nicht einzustellen beabsichtigt, wäre eine Kündigung zulässig. Eine Kündigung wegen eines Pflichtenverstoßes ohne vorherige Abmahnung ist in der Regel nur möglich, wenn im konkreten Fall davon ausgegangen werden kann, dass durch eine Abmahnung keine Verbesserung des gestörten Arbeitsverhältnisses zu erwarten ist. Dies wird in der Rechtsprechung vor allem bei Pflichtenverstöße im Vertrauensbereich angenommen, zum Beispiel wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber bestielt/einen Diebstahl oder Betrug zum Nachteil des Arbeitgebers begeht.

4. Interessenabwägung der widerstreitenden Interessen

Letztendlich muss eine umfassende Interessenabwägung stattfinden, nämlich zwischen dem Interesse des Arbeitgebers an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Interesse des Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, welche zugunsten des Arbeitgebers im konkreten Fall für die Wirksamkeit der Kündigung ausfallen muss. Bei dieser Abwägung spielt insbesondere u.a. die Art und Weise des Pflichtenverstoßes, die Auswirkungen des Pflichtenverstoßes, die Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers, sein Alter oder gar etwaige Unterhaltsverpflichtungen eine Rolle.

Als Rechtsanwalt in Oranienburg berate und vertrete ich Sie außergerichtlich, aber auch gerichtlich, wenn Sie eine verhaltensbedingte Kündigung bekommen haben oder als Arbeitgeber aussprechen wollen. Im Falle einer Kündigung sollte immer durch einen Rechtsanwalt geprüft werden, ob diese wirksam ist. Auch im Falle der verhaltensbedingten Kündigung können selbst wenn deren Voraussetzungen gegeben wären, andere Gründe vorliegen, welche einer Wirksamkeit der Kündigung entgegenstehen, wobei nach Erhalt der Kündigung nicht zu lange gewartet werden sollte, da im Falle der Unwirksamkeit der Kündigung dies gerichtlich geltend zu machen ist und hierbei die Klagefrist für eine Kündigungsschutzklage zwingend zu beachten/einzuhalten ist.

Die betriebsbedingte Kündigung im Arbeitsrecht

Die betriebsbedingte Kündigung stützt sich auf dringende betriebliche Erfordernisse, die den Abbau von Arbeitnehmern des Unternehmens notwendig machen, wobei für dessen Wirksamkeit mehrere Voraussetzungen erfüllt sein müssen und zu berücksichtigen ist, dass wenn das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) nicht zur Anwendung gelangt, eine Kündigung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen möglich ist, soweit nicht andere rechtliche Gründe der Wirksamkeit einer dahingehenden Kündigung entgegenstehen. Die zu prüfenden Voraussetzungen für eine betriebsbedingte Kündigung, welche von einem Rechtsanwalt im Arbeitsrecht erfolgen solle,  sind:

1. Vorliegen einer unternehmerischen Entscheidung oder außerbetriebliche Ursachen

Der Beschäftigungsbedarf an Arbeitnehmern muss aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung (sogenannte innerbetriebliche Ursachen) weggefallen sein. Hintergrund dessen sind in den meisten Fällen u.a. wirtschaftliche oder und technische Erwägungen als Motiv von dahingehenden unternehmerischen Entscheidungen, welche Betriebsschließungen (zum Beispiel infolge einer Insolvenz), bei Maßnahmen der Umstrukturierungen innerhalb des Betriebes oder gar die Auslagerung von Teilen des Unternehmens betreffen. Gründe für einen Stellenabbau und deren unternehmerische Entscheidung zur Reduzierung des Beschäftigungsbedarfs können aber auch außerbetrieblichen Ursachen haben, nämlich zum Beispiel einen Auftragsrückgang oder Umsatzeinbußen. Im Kündigungsschutzprozess (Kündigungsschutzklage) muss der Arbeitgeber konkret die Unternehmensentscheidung und den Wegfall des Arbeitsbedarfes des zu kündigenden Arbeitnehmers darlegen. Dies umfasst zum Beispiel bei Personaleinsparungen auch die konkrete für betriebsfremde verständliche Darlegung, wie die umstrukturierte Arbeitsverteilung auf die (verbleibenden) Arbeitnehmer künftig erfolgt. Ob die Entscheidung des Arbeitgebers betriebswirtschaftlich vernünftig oder gar sinnvoll ist, unterliegt nicht der gerichtlichen Überprüfung. Es ist daher dem Arbeitgeber grundsätzlich überlassen, auch einen wirtschaftlich gut arbeitenden Betrieb durch zum Beispiel Verkleinerung umzustrukturieren oder gar gewisse Arbeiten des Betriebes einzustellen und/oder Fremdfirmen hierfür in Anspruch zu nehmen.

2. Keine andere Möglichkeit der Weiterbeschäftigung

Es darf keine andere Möglichkeit der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einen anderen der Qualifikation und Fähigkeiten entsprechenden freien Arbeitsplatz zum Zeitpunkt der Kündigung oder bis zum Ablauf der Kündigungsfrist im Betrieb mehr geben und der Arbeitgeber muss im Rahmen seines Weisungsrechts berechtigt sein, den Arbeitnehmer umzusetzen, was zum Beispiel nicht möglich wäre, wenn aufgrund der Regelung im Arbeitsvertrag dies ausgeschlossen ist und erst eine Änderung des Arbeitsvertrages die Umsetzung ermöglichen würde. Auch wenn kein freier Arbeitsplatz existiert, kann die Kündigung unwirksam sein, nämlich dann, wenn gemäß § 1 Abs. 2 Satz 3 KSchG „... die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat“.

3. Die Interessenabwägung bei der betriebsbedingten Kündigung

Bei der im Rahmen der betriebsbedingten Kündigung vorzunehmenden Interessenabwägung wird geprüft, ob bei Abwägung der Interessen des Arbeitgebers an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Interesse des Arbeitnehmers an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung überwiegt. Hierbei muss jedoch berücksichtigt werden, dass wenn aufgrund der betrieblichen Entscheidung des Arbeitgebers der Arbeitsplatz des gekündigten Arbeitnehmers wegfällt und keine andere Möglichkeit der Weiterbeschäftigung mehr besteht, die Interessenabwägung keine große Bedeutung mehr hat.

4. Die Sozialauswahl bei der betriebsbedingten Kündigung (§ 1 Abs. 3 KSchG)

Wenn das Kündigungsschutzgesetz anzuwenden ist, muss der Arbeitgeber bei einer betriebsbedingten Kündigung eine Sozialauswahl durchführen, soweit er nicht den gesamten Betrieb oder das Unternehmen schließt. Es geht letztendlich darum, dass jeder Arbeitnehmer sich die Frage stellt, warum gerade ich und nicht ein anderer Kollege gekündigt wurde. Bei der Sozialauswahl wird eine Abwägung zwischen vergleichbaren Arbeitnehmern eines Betriebes vorgenommen, welche von dem geplanten Stellenabbau erfasst werden. Hierbei gelten die Arbeitnehmer als vergleichbar, welche aufgrund ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten sowie ihrer Stellung im Betrieb ähnliche Tätigkeiten übernehmen können, wie der gekündigte Arbeitnehmer. Im zweiten Schritt wird sich sodann gefragt, welcher Arbeitnehmer sozial am schutzwürdigsten ist bzw. für welchen Arbeitnehmer die Kündigung die geringsten sozialen Auswirkungen hätte. Hierbei werden soziale Gesichtspunkte, wie die Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, etwaige Behinderungen oder zum Beispiel Unterhaltspflichten herangezogen, welche der Arbeitgeber auf Anfrage des gekündigten Arbeitnehmers, spätestens im Gerichtsprozess, offenzulegen hat. Das Kündigungsschutzgesetz regelt dies umfassend in § 1 Abs. 3-5 KSchG, nämlich wie folgt:

„(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.“

In der Praxis wird bei der Sozialauswahl unter Berücksichtigung der Gesichtspunkte ein Punktesystem angewandt, nämlich dahingehend, dass jedem sozialen Gesichtspunkt zum Beispiel Lebensjahr, Betriebszugehörigkeit, unterhaltsberechtigte Angehörige oder gar Grad der Behinderung eine gewisse Punkteanzahl zugeordnet wird, sodass derjenige Arbeitnehmer mit den wenigsten Punkten am wenigsten schutzbedürftig ist und gekündigt werden müsste.

Im Falle des Erhalts einer betriebsbedingte Kündigung sollten Sie eine Beratung bei einem Rechtsanwalt in Anspruch nehmen, im Rahmen dessen auch andere Gesichtspunkte zu prüfen sind, da selbst wenn die Voraussetzungen für eine betriebsbedingte Kündigung vorlegen, diese unwirksam sein kann, weil andere zusätzliche Voraussetzungen im konkreten Fall nicht gegeben sind, wie zum Beispiel im Falle des Bestehens eines Betriebsrates dessen voriger Anhörung zu der konkreten Kündigung. Als Rechtsanwalt in Oranienburg vertrete ich Sie im Arbeitsrecht, sei außergericht oder gar gerichtlich.

Die fristlose Kündigung im Arbeitsrecht

Wenn Sie eine fristlose Kündigung bekommen haben, sollte ein Anwalt in Anspruch genommen werden, da dies nicht nur arbeitsrechtliche Folgen nach sich zieht, sondern gegebenenfalls zum Beispiel eine Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld.

Durch die fristlose Kündigung wird das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung von vertraglichen, gesetzlichen oder gar tariflichen Kündigungsfristen mit Zugang beim Empfänger sofort beendet, wenn deren Voraussetzungen vorliegen oder gar die einzuhaltende Klagefrist hiergegen nicht eingehalten wird. Die fristlose Kündigung, auch außerordentliche Kündigung ohne Auslauffrist genannt, ist nur wirksam, wenn hierfür die Voraussetzungen vorliegen, was Sie durch einen Rechtsanwalt immer prüfen lassen sollten.

 Die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung

Die fristlose Kündigung, welche von beiden Vertragsparteien, nämlich dem Arbeitgeber oder dem Arbeitnehmer erklärt werden kann, bedarf gemäß § 626 Abs. 1 BGB einen „wichtigen Grund“, welcher es rechtfertigt, dass dem die Kündigung Erklärenden das Einhalten der geltenden Kündigungsfristen nicht zuzumuten ist. Da die fristlose Kündigung eine Beendigung des Arbeitsverhältnises ohne Einhaltung von Kündigungsfristen ist, bedarf es für dessen Wirksamkeit des Vorliegens besonderer Voraussetzungen, nämlich:

1. Vorliegen eines erheblichen arbeitsvertraglichen Pflichtenverstoßes

Es muss ein schwerer Pflichtenverstoß vorliegen, der es rechtfertigt, dass dem Kündigenden das Einhalten der Kündigungsfrist nicht zuzumuten ist, wobei hierbei auch unter weiteren Voraussetzungen ein dringender Verdacht ausreichen und eine Verdachtskündigung rechtfertigen kann. Beispiele für einen dahingehenden erheblichen Pflichtenverstoß sind zum Beispiel Arbeitszeitbetrug, Diebstahl und Unterschlagung zum Nachteil des Kündigenden.

2. Rechtswidrigkeit und Schuldhaftigkeit des Pflichtenverstoßes

Der vorgeworfene erhebliche Pflichtenverstoß ist ohne Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes und schuldhaft, sei es vorsätzlich oder gar fahrlässig, erfolgt.

 3. Nichtvorliegen eines milderen Mittels, gegenüber der fristlosen Kündigung

Bei dieser Voraussetzung wird geprüft, inwieweit es dem Kündigenden zuzumuten ist, auf den Pflichtenverstoß durch ein milderes arbeitsrechtliches Mittel zu reagieren. Hierbei kann je nach Art und Weise des Pflichtenverstoßes zum Beispiel als milderes Mittel eine ordentliche Kündigung oder gar Abmahnung in Betracht kommen.

4. Abwägung der beiderseitigen Interessen

Bei diesem Prüfungspunkt wird letztendlich das Interesse des Kündigenden an der sofortigen Beendigung des Arbeitsvertrages mit dem Interesse des Gekündigten an einer Beendigung des Arbeitsvertrages unter Einhaltung der Kündigungsfristen abgewogen, wobei für die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung das Interesse des Kündigenden an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung der Kündigungsfrist überwiegen muss.

5. Kündigung innerhalb der Zweiwochenfrist

Bei der fristlosen Kündigung regelt § 626 Abs. 2 BGB als weitere Voraussetzung, dass der Kündigungberechtigte ab Kenntnis von den maßgebenden Kündigungstatsachen, die fristlose Kündigung innerhalb von 2 Wochen zu erklären hat, wenn er aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist den Vertrag beenden will. Dem liegt u.a. der Gedanke zugrunde, dass wenn der Pflichtenverstoß so gravierend ist, es widersprüchlich wäre, wenn der Kündigende zum Beispiel Monate später hierauf beruhend ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis beenden will, jedoch durch sein Abwarten zu erkennen gegeben hat, dass ihm die Einhaltung der Kündigungsfrist zuzumuten ist.

Im Falle einer fristlosen Kündigung sollte immer eine Beratung bei einem Rechtsanwalt zu der Frage der Wirksamkeit der Kündigung zeitnah nach Erhalt der Kündigung in Anspruch genommen werden, da nicht nur die vorgenannten Voraussetzungen insoweit näher zu prüfen wären, sondern auch Besonderheiten vorliegen können, welche ungeachtet des Vorliegens der oben genannten Voraussetzungen die Unwirksamkeit der Kündigung im Ergebnis begründen können, wobei die Klagefrist (Kündigungsschutzklage) zwingend zu berücksichtigen ist.

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BAG News mit Bezug zur Kündigung von der Pressestelle des Bundesarbeitsgerichts

Pressemitteilung Nr. 37/15

  Altersdiskriminierende Kündigung im Kleinbetrieb

Ist bei einer Kündigung gegenüber einer Arbeitnehmerin aufgrund von ihr vorgetragener Indizien eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Lebensalters nach § 22 AGG zu vermuten und gelingt es dem Arbeitgeber nicht, diese Vermutung zu widerlegen, ist die Kündigung auch im Kleinbetrieb unwirksam.

Die am 20. Januar 1950 geborene Klägerin war bei der beklagten Gemeinschaftspraxis seit dem 16. Dezember 1991 als Arzthelferin beschäftigt. In der Praxis waren im Jahr 2013 noch vier jüngere Arbeitnehmerinnen tätig. Die Klägerin war zuletzt überwiegend im Labor eingesetzt. Die Gesellschafter der Beklagten kündigten ihr Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 24. Mai 2013 zum 31. Dezember 2013 wegen Veränderungen im Laborbereich, welche eine Umstrukturierung der Praxis erforderten. Dabei führten sie an, die Klägerin sei „inzwischen pensionsberechtigt“. Den anderen Beschäftigten wurde nicht gekündigt. Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der Kündigung und verlangt eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung. Das Kündigungsschreiben lasse eine Benachteiligung wegen ihres Alters vermuten. Nach Darstellung der Beklagten sollte die Kündigung lediglich freundlich und verbindlich formuliert werden. Die Kündigung sei wegen eines zu erwartenden Entfalls von 70 bis 80 % der abrechenbaren Laborleistungen erfolgt. Die Klägerin sei mit den übrigen Arzthelferinnen nicht vergleichbar, weil sie schlechter qualifiziert sei. Deshalb sei ihr gekündigt worden.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die Kündigung verstößt gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG und ist deshalb unwirksam. Die Beklagte hat keinen ausreichenden Beweis dafür angeboten, dass die wegen der Erwähnung der „Pensionsberechtigung“ zu vermutende Altersdiskriminierung nicht vorliegt. Ob und ggf. in welcher Höhe der Klägerin der geltend gemachte Entschädigungsanspruch zusteht, kann noch nicht festgestellt werden. Die Sache wurde insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Bundesarbeitsgericht

Urteil vom 23. Juli 2015 - 6 AZR 457/14 -

Vorinstanz: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Urteil vom 9. Mai 2014 - 3 Sa 695/13 -

Quellenangabe: Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 23.07.2015