Pressemitteilung Nr. 17/15 

Kündigung nach In-vitro-Fertilisation

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG ist eine ohne behördliche Zustimmung ausgesprochene Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft bekannt war oder sie ihm innerhalb zweier Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Im Fall einer Schwangerschaft nach einer Befruchtung außerhalb des Körpers (In-vitro-Fertilisation) greift das mutterschutzrechtliche Kündigungsverbot bereits ab dem Zeitpunkt der Einsetzung der befruchteten Eizelle (sog. Embryonentransfer) und nicht erst mit ihrer erfolgreichen Einnistung (Nidation). Dies hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts entschieden und - wie schon die Vorinstanzen - der Kündigungsschutzklage einer Arbeitnehmerin stattgegeben.

Die Klägerin war als eine von zwei Angestellten seit Februar 2012 in der Versicherungsvertretung des Beklagten beschäftigt. Ermahnungen oder Abmahnungen etwa wegen schlechter Leistungen erhielt sie nicht. Am 14. oder 15. Januar 2013 teilte sie dem Beklagten mit, dass sie seit mehreren Jahren einen bisher unerfüllten Kinderwunsch hege und ein erneuter Versuch einer künstlichen Befruchtung anstehe. Der Embryonentransfer erfolgte am 24. Januar 2013. Am 31. Januar 2013 sprach der Beklagte - ohne behördliche Zustimmung - eine ordentliche Kündigung aus. In der Folge besetzte er die Stelle mit einer älteren Arbeitnehmerin. Am 7. Februar 2013 wurde bei der Klägerin eine Schwangerschaft festgestellt. Hierüber informierte sie den Beklagten am 13. Februar 2013.

Die Kündigung ist unwirksam. Die Klägerin genoss bei ihrem Zugang wegen des zuvor erfolgten Embryonentransfers den besonderen Kündigungsschutz des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG. Die Kündigung verstößt zudem gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG iVm. §§ 1, 3 AGG. Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 26. Februar 2008 (C-506/06) entschieden, es könne eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts vorliegen, wenn eine Kündigung hauptsächlich aus dem Grund ausgesprochen werde, dass die Arbeitnehmerin sich einer Behandlung zur In-vitro-Fertilisation unterzogen habe. Im Streitfall durfte das Landesarbeitsgericht nach den gesamten Umständen davon ausgehen, dass die Kündigung wegen der (beabsichtigten) Durchführung einer solchen Behandlung und der damit einhergehenden Möglichkeit einer Schwangerschaft erklärt wurde.

Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 26. März 2015 - 2 AZR 237/14 -

Vorinstanz: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Urteil vom 7. März 2014 - 3 Sa 502/13 -

Quellenangabe: Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 26.03.2015

Arbeitsrecht News

  • Klagefrist im Kündigungsschutzprozess

    Nach nunmehr vorliegenden neueren Entscheidungen des 6. Senats des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 22.07.2010 – 6 AZR 480/09) und des 5. Senats des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 1. 9. 2010- 5 AZR 700/09) muss davon ausgegangen werden, dass auch im Falle der fehlerhaft berechneten Kündigungsfrist und Angabe derer in der Kündigung des Arbeitgebers, die Klagefrist des § 4 KSchG immer einzuhalten ist, da ansonsten die Kündigung gemäß § 7 KSchG rechtswirksam wird.Sollte die vorgenannte Klagefrist vom Arbeitnehmer versäumt worden sein, bleibt letztendlich noch die Möglichkeit, im Rahmen einer anwaltlichen Beratung genau prüfen zu lassen, ob die vom Arbeitgeber erfolgte Kündigung aus anderen Gründen (zum Beispiel Nichteinhaltung der gesetzlichen Schriftform) oder durch Auslegung in eine Kündigung unter Einhaltung der vertraglichen oder gar gesetzlichen Fristen ausgelegt werden kann oder gar die Voraussetzung für die Zulassung einer verspäteten (nunmehr) eingereichten Klage vorliegen.Im Ergebnis kann daher gesagt werden, dass der Arbeitnehmer gegen die Kündigung des Arbeitgebers immer Kündigungsschutzklage unter Einhaltung der in § 4 KSchG genannten Klagefrist erheben muss, was unabhängig von der persönlichen und betrieblichen Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes und vom Unwirksamkeitsgrund gilt.In den Fällen, in welchen der Arbeitnehmer lediglich die fehlende Schriftform oder gar den Zugang der Kündigung rügt, als auch in dem Fall, dass die Kündigungsfrist (fehlerhaft) nicht eingehalten wurde und sich die deshalb mit zu kurzer Frist erklärte Kündigung des Arbeitgebers in eine fristgerechte Kündigung auslegen lässt, besteht ausnahmsweise die Möglichkeit, eine nicht fristgebundene allgemeine Feststellungsklage gemäß § 46 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) i. V. m. § 256 ZPO zu erheben, was jedoch im konkreten Einzelfall durch einen Rechtsanwalt geprüft werden sollte.Wenn Sie eine Kündigung erhalten haben, sollten Sie daher die oben genannte Klagefrist von 3 Wochen immer einhalten, um jeglichen Risiko aus dem Weg zu gehen, dass die unwirksame Kündigung Ihres Arbeitgebers aufgrund der Regelungen in § 7 KSchG wirksam wird und Ihnen daher bereits durch Versäumung der Frist, jegliche weitere Verteidigung gegen die Kündigung, zum Beispiel wegen des Fehlens eines Kündigungsgrundes oder gar der Sozialwidrigkeit verwehrt ist.